Einzelmolekülmikroskopie macht den Tanz der Rezeptoren sichtbar
FRANKFURT. Ob eine kranke Zelle stirbt, sich teilt oder durch den Körper wandert, reguliert ein ausgeklügeltes Wechselspiel von Botenmolekülen und Rezeptoren in der Zellmembran. Einer der wichtigsten Signalstoffe des Immunsystems ist der Tumornekrosefaktor α (TNFα). Forscher unter Federführung der Goethe-Universität haben nun erstmals in Zellen die molekulare Organisation einzelner Rezeptor-Moleküle und die Bindung von TNFα an die Zellmembran visualisiert.
Damit der Tumornekrosefaktor an einen Membranrezeptor binden kann,
muss dieser zunächst aktiviert werden. Das bedeutet, dass der Schlüssel nur
unter bestimmten Umständen ins Schloss passt. So wird verhindert, dass
beispielsweise eine gesunde Zelle den programmierten Zelltod stirbt. „Im
Membranrezeptor TNFR1 wird die Bindung von TNFα über mehrere
Cystein-reiche Domänen, kurz CRDs, vermittelt", erklärt Sjoerd van Wijk vom
Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie an der
Goethe-Universität.
Insbesondere die CRD1-Domäne des Rezeptors sorgt dafür, dass TNFα
“andocken" kann. Bisher wussten die Forscher, dass sich dann Rezeptor-Moleküle
zusammenlagern wie in einem Tanz, bei dem sich zwei, drei oder mehr Partner an
den Händen fassen. Nur dass die Dimere, Trimere oder Oligomere aus
gleichartigen Untereinheiten, in diesem Fall Rezeptoren, bestehen. Allerdings
finden solche „Umbaumaßnahmen“ auch statt, wenn kein TNFα in der
Nähe ist. „Trotz der großen Bedeutung von TNFα bei Krankheiten wie
Entzündungen und Krebs sind die Physiologie und die Struktur von TNFR1 an der
Zellmembran bisher noch weitgehend unbekannt", erklärt Sjoerd van Wijk den
Ausgangspunkt für seine Forschung.
Um die Vorgänge an der Zellmembran im Detail zu verstehen, wandte
sich van Wijk an Mike Heilemann vom Institut für Physikalische und Theoretische
Chemie der Goethe-Universität. Mit der von ihm entwickelten Kombination aus
quantitativer Mikroskopie und hochauflösender Einzelmolekülmikroskopie kann
Heilemann einzelne Proteinkomplexe und deren molekulare Organisation in Zellen
sichtbar machen. Gemeinsam mit Ivan Dikic (Institut für Biochemie II) und
Simone Fulda (Institut
für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie)
an der Goethe-Universität, Harald Wajant vom Universitätsklinikum Würzburg und
Darius Widera von der Universität Reading/UK, konnten sie nun den Tanz der
Rezeptor-Moleküle beobachten. Finanzielle Unterstützung kam von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft über den Sonderforschungsbereich 807, „Transport and
Communication across Biological Membranes“.
Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Science Signaling“
berichten, liegen die TNFR1-Rezeptoren in Abwesenheit von TNFα als
Monomere und Dimere vor. Sobald jedoch TNFα an die Rezeptoren bindet,
bilden diese in der Membran Trimere und Oligomere. Gleichzeitig fanden die
Forscher Hinweise auf Mechanismen, die das Schicksal der Zelle unabhängig von
TNFα
bestimmen. Diese könnten bei Entgleisungen wie Krebs oder überschießenden
Entzündungsreaktionen, etwa der rheumatoiden Arthritis, relevant sein. „Das
eröffnet neue Wege für die therapeutische Regulation“, so van Wijk.
Publikation: C. Karathanasis, J. Medler, F. Fricke, S. Smith, S. Malkusch, D. Widera, S. Fulda, H. Wajant, S. J. L. van Wijk, I. Dikic, M. Heilemann, Single-molecule imaging reveals the oligomeric state of functional TNFα-induced plasma membrane TNFR1 clusters in cells. Sci. Signal. 13, eaax5647 (2020). DOI: 10.1126/scisignal.aax5647
Informationen: Dr. Sjoerd van Wijk, Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie, Campus Niederrad, Tel.: (069) 67866574, Email: s.wijk@kinderkrebsstiftung-frankfurt.de
Prof. Dr. Mike Heilemann, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798 29424, Email: heileman@chemie.uni-frankfurt.de