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Forschung

Apr 19 2013
08:03

Vereisung vor über 33 Millionen Jahren förderte Evolution der Wale und Pinguine

Was Fossilien über Ökosysteme in der Antarktis verraten

FRANKFURT. Die Entstehung des Plankton-Ökosystems in den Ozeanen um die Antarktis geht auf einen Klimawandel zurück. Vor 33,6 Millionen Jahren begannen gewaltige Eismassen den antarktischen Kontinent zu bedecken, und in den angrenzenden Gewässern bildete sich Meereis. Das hatte unmittelbare Folgen für das dortige Plankton-Ökosystem, das als Nahrungsgrundlage für die Meeresbewohner dient. Das neue Meereis-Ökosystem ermöglichte die Evolution der heutigen Bartenwale und Pinguine, so vermuten Wissenschaftler der Goethe-Universität und des Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) in der Fachzeitschrift „Science“.

Die Wissenschaftler analysierten Sedimentproben aus Bohrkernen vom Meeresgrund, die 2010 im Rahmen des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) vor der Küste der Antarktis gewonnen wurden. Diese reichen bis zu einen Kilometer unter den Meeresboden und erlauben völlig neue Einblicke in längst vergangene Zeiten. Anhand dieser Bohrkerne zeigte sich, dass vor 53 Millionen Jahren subtropische Verhältnisse in der Antarktis geherrscht haben, die das Wachstum von Palmen ermöglichten. In den folgenden 20 Millionen Jahren kühlte das Klima kontinuierlich ab. Die jetzt erschienene Studie nimmt den Zeitraum vor circa 33,6 Millionen Jahren in den Blick, als sich innerhalb kurzer Zeit ein gewaltiger Eisschild über die Antarktis ausbreitete. Durch ihn änderten sich die Lebensbedingungen und damit die Ökosysteme auf dem antarktischen Kontinent und im angrenzenden Südozean radikal.

Winzige Zeitzeugen: Dinoflagellaten
Während die meisten Algen, aus denen das Plankton der Ozeane zu großen Teilen besteht, keinerlei Rückstände in den Sedimenten der Bohrkerne hinterlassen, überdauern die Überreste von Dinoflagellaten Jahrmillionen. Die Wissenschaftler konnten so anhand fossiler Spuren dieser einzelligen Organismen in den antarktischen Sedimentkernen die Umwälzung der Plankton-Ökosysteme, die mit dem Einbruch der Kälteperiode vor 33,6 Millionen Jahren begann, eindeutig rekonstruieren. Für den Zeitraum, als die Antarktis noch komplett eisfrei war, fanden die Forscher eine Vielzahl von Dinoflagellatenarten, die für warmes Klima typisch sind. Mit dem Entstehen des antarktischen Eisschilds brach diese Vielfalt plötzlich zusammen; von nun an kamen nur noch Arten vor, die an die zeitweilige Eisbedeckung des Ozeans angepasst waren und auch heute für antarktische Gewässer typisch sind. Sie kommen nur saisonal, nämlich kurz nach der Eisschmelze im Frühjahr und Sommer, in hohen Konzentrationen vor. Dann bilden sie eine Nahrungsquelle für die Lebewesen, die weiter oben in der Nahrungskette stehen.

Neue Arten dank Nahrungsknappheit
Die Gewässer rund um die Antarktis spielen eine Schlüsselrolle im globalen Nahrungsnetz der Ozeane. Wenn im antarktischen Sommer das Meereis schmilzt, treten starke Algenblüten auf. „Dass die Zahl der Dinoflagellaten, die an eine zumindest zeitweise Eisbedeckung adaptiert sind, plötzlich explodierte, hatte zur Folge, dass sich das gesamte Nahrungsnetz im Südozean neu organisieren musste“, so Prof. Jörg Pross, Mitautor der neuen Studie in „Science“ und Paläoklimatologe an der Goethe-Universität Frankfurt sowie des Biodiversität und Klima-Forschungszentrums (BiK-F). Organismen, die in der Nahrungspyramide des Ozeans weiter oben angesiedelt sind, mussten sich darauf einstellen, dass sie nur noch für wenige Monate im Jahr ein üppiges Nahrungsangebot vorfanden. Jörg Pross resümiert: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass diese Umstellung einen Entwicklungsschub für die Bartenwale und Pinguine bewirkte“. Damit unterstreichen die Ergebnisse der neuen Studie, dass Zeiten starken Klimawandels oft mit besonders rascher biologischer Evolution verbunden sind.

Publikation: Houben, Bijl, Pross et al.: Reorganization of Southern Ocean Plankton Ecosystem at the Onset of Antarctic Glaciation, in: Science, DOI: 10.1126/science.1223646

Bilder zum Download finden Sie hier (.zip).

Bildtexte:

  1. Gerölle in einem Sediment-Bohrkern aus den Küstengewässern der Antarktis. Die Gerölle wurden von Eisbergen in das offene Meer getragen und fielen dann beim Schmelzen des Eises auf den Meeresboden. (Bild: Saiko Sugisaki)
  2. Meereis-Schollen in den Küstengewässern der Antarktis.  Das Foto stammt von der Bohrexpedition im Februar 2010, spiegelt also die Sommersituation auf der Südhalbkugel wider. (Bild: Annick Fehr)
  3. Das Forschungsschiff JOIDES Resolution, das die Sediment-Bohrkerne 2010 in den Antarktischen Küstengewässern gewann. (Bildrechte: Integrated Ocean Drilling Program, IODP)
  4. Das Expeditionsschiff JOIDES Resolution. (Bild: Integrated Ocean Drilling Program)
  5. Fossile Reste eines Dinoflagellaten – einer Alge, wie sie für die Sedimente aus dem frühen Oligozän vor 33 Millionen Jahren typisch ist. Der Durchmesser beträgt etwa 100 Mikrometer. (Bild: Alexander Houben)
  6. Fossile Reste eines Dinoflagellaten – einer Alge, wie sie für die Sedimente aus dem frühen Oligozän vor 33 Millionen Jahren typisch ist. Der Durchmesser beträgt etwa 50 Mikrometer. (Bild: Alexander Houben)