Abstracts

Vorträge


„Schlaf, Schlaflosigkeit und psychische Erkrankungen“

Prof. Dr. Dieter Riemann, Universitätsklinikum Freiburg

Schon seit langem ist bekannt, dass viele psychische Erkrankungen mit Störungen des Schlafs, insbesondere im Sinne einer Insomnie, einhergehen. Unter einer Insomnie versteht man Ein- und Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen gekoppelt mit Beeinträchtigungen der Tagesbefindlichkeit wie Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Konzentrations-einschränkungen. Insbesondere für depressive und Angsterkrankungen konnte nun gezeigt werden, dass reine insomnische Beschwerden prädiktiv für das Auftreten dieser psychischen Erkrankungen sind. Zudem ist bekannt, dass die besondere Berücksichtigung von insomnischen Symptomen in der Therapie mit einem besseren Verlauf von depressiven und Angsterkrankungen einhergeht. Erste Hinweise gibt es auch dafür, dass sich die Behandlung von Insomnien generell mit kognitiver Verhaltenstherapie präventiv auf das Auftreten psychischer Erkrankungen, insbesondere von Angst- und depressiven Störungen, auswirken kann. Neurowissenschaftliche Forschungsansätze konnten zudem zeigen, dass die Regulation von Schlafen und Wachen eng mit den Regula-tionsmechanismen verknüpft ist, deren Störung bei Insomnie, Angst und Depression auftritt. Aufgrund dieser bidirektionalen Zusammenhänge spricht vieles dafür, sich nicht nur grundlagenwissenschaftlich sondern auch in der klinischen Anwendung intensiv mit dem Thema Insomnie zu befassen. Aktuelle Forschungsansätze widmen sich der Frage, ob die frühzeitige Behandlung von Insomnien, auch in der hausärzt-lichen Praxis, generell depressiven und Angststörungen vorbeugen kann.


„Essen bis nichts mehr geht – die Binge-Eating-Störung“

Prof. Dr. Anja Hilbert, Universität Leipzig

Kernmerkmal der Binge-Eating-Störung sind wiederkehrende Essanfälle, bei denen die Betroffenen unkontrolliert große Nahrungsmengen zu sich nehmen. Essanfälle treten bereits im Kindesalter häufig auf und können ab dem Jugend- oder frühen Erwachsenenalter in eine Binge-Eating-Störung münden. Die Binge-Eating-Störung ist die häufigste Essstörung und geht mit Übergewicht und Adipositas einher. Der Vortrag gibt einen Überblick über die Entstehung und Aufrechterhaltung der Binge-Eating-Störung bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen sowie den Forschungsstand zur Psychotherapie.


„Digital Detox - ist eine störungsspezifische Psychotherapie bei Internetsucht sinnvoll? Fakten und Behandlungsansätze bei internetbezogenen Störungen“

Dr. Klaus Wölfling, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die neue Diagnose „Gaming Disorder“ (Computerspielsucht) und die Residualkategorie zu sonstigen internetbezogenen Störungen im Kapitel Suchterkrankungen „Disorders due to addictive behaviours“ wurden für das ICD-11 vorgeschlagen und eingeführt. Diese Veränderung reflektiert die Bedeutung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sich  mit medienassoziierten Störungen in der klinischen Praxis auseinanderzusetzen. In der täglichen Routine entsteht häufig die Frage, wie genau ein süchtiges Internetnutzungsverhalten von einem nur problematischen Medienkonsum abzugrenzen sei? Um die diese Frage zu beantworten, soll der Vortrag einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Entstehung, Verbreitung und Diagnostik von internetbezogenen Störungen geben. Hierbei wird auf neurobiologische Studienergebnisse ebenso wie auf Ergebnisse klinischer Studien eigegangen, um potenzielle Risiko- und Schutzfaktoren für die Entstehung von Computerspielsucht und internetbezogenen Störungen zu identifizieren.


„Trans*/Transgender in der ICD-11: Aktuelle Entwicklungen im Überblick“

PD Dr. Timo Nieder, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Die WHO hat mit Verabschiedung der ICD-11 beschlossen, das Thema Trans*/Transgender (früher: Transsexualität) nicht mehr im Kapitel F „Psychische und Verhaltensstörungen“ zu codieren. Im Zuge dessen wird die Diagnose „Transsexualismus“ (ICD-10: F64.0) ersetzt durch die Diagnose „Gender Incongruence“ (dt. Geschlechtsinkongruenz (ICD-11: HA60). Damit ist die Geschlechtsinkongruenz Teil des für die ICD-11 neu geschaffenen Kapitels „Conditions related to sexual health“ (dt. Bedingungen und Zustände bezogen auf die sexuelle Gesundheit). Der Vortrag führt in die Hintergründe dieser weitreichenden Veränderung ein und gibt einen Überblick über die Implikationen für die Diagnostik und Behandlung im Kontext von Trans*/Transgender.


Workshops


Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen

Prof. Dr. Dieter Riemann, Universitätsklinikum Freiburg

Eine intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Schlaf hat erst in den letzten 50 Jahren eingesetzt, so dass wir heutzutage zwar unseren Schlaf besser beschreiben und charakterisieren können, allerdings die Frage, warum wir schlafen, immer noch ungeklärt ist. Im ersten Teil des Workshops werden die wichtigsten Erkenntnisse aus Medizin und Psychologie über unseren Schlaf zusammengefasst, etwa welchen Einfluss das Alter auf unser Schlafverhalten hat und wie abhängig unser Schlaf vom Hell-Dunkel-Wechsel ist. Zudem wissen wir inzwischen, dass guter und erholsamer Schlaf eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der körperlichen und psychischen Gesundheit spielt. Viele internationale Studien konnten inzwischen eindeutig belegen, dass Menschen mit zuwenig oder schlechtem Schlaf auf Dauer ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Übergewicht und psychische Störungen, insbesondere Depressionen, entwickeln. Der zweite Teil des Workshops widmet sich den verschiedenen Arten von Schlafstörungen. Hierunter versteht man die Insomnie ( = Schlaflosigkeit), die nächtlichen Atemstörungen (Schnarchen und Schlafapnoe), Störungen der Motorik (Restless Legs Syndrom) und des Schlaf-Wach-Rhythmus (Jet lag, Schichtarbeit) als häufigste „Schlafstörer“. Im dritten Teil des Workshops werden die evidenz-basierten  Behandlungsmöglichkeiten erläutert. Im Bereich der Schlaflosigkeit, mit dem jeder einmal im Leben konfrontiert wird, haben sich Massnahmen der Schlaf-Hygiene, der Entspannung sowie der gezielten Schlaf-Wach-Rhythmusstruktuirierung sehr bewährt, die ausführlich vorgestellt werden. Zusammenfassend stellt die sogenannte kognitiv-verhaltenstherapeutische Insomniebehandlung (KVT-I) inzwischen weltweit die first line Therapie von insomnischen Störungen dar und ist pharmakologischen Optionen deutlich überlegen.


Kognitive Verhaltenstherapie der Binge-Eating-Störung bei Erwachsenen, Kinder und Jugendlichen

Prof. Dr. Anja Hilbert, Universität Leipzig

Anhand fallorientierter Darstellungen und Übungen werden evidenzbasierte Interventionen der Kognitiven Verhaltenstherapie für die Binge-Eating-Störung bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen vorgestellt.


"Klinisches Erscheinungsbild und Psychotherapie bei Patienten mit Computerspiel- und Internetsucht“

Dr. Klaus Wölfling, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Im Workshop wird praxisnah ein Überblick über ein manualisiertes psychotherapeutisches Vorgehen bei der Behandlung von internetbezogenen Störungen (Internetsucht, insbesondere Online-Computerspielsucht  und Onlinesexsucht) gegeben. Der Referent behandelt langjährig in der Mainzer Ambulanz für Spielsucht Betroffene mit Internet- aber auch Glücksspielsucht. Im Workshop wird die ambulante Behandlung der Internet- und Computerspielsucht praxisorientiert unter Zuhilfenahme von videodokumentierten Fallbeispielen vorgestellt werden.


Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans*/Transgender: Aktuelle Entwicklungen zur Diagnostik, Beratung und interdisziplinären Behandlung

PD Dr. Timo Nieder, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Die Ablösung der Diagnose „Transsexualismus“ durch die Diagnose „Gender Incongruence“ und deren Neu-Verortung weg von einer „Psychischen Störung“ hin zu einem „Zustand, der die sexuelle Gesundheit beeinflusst“, gilt als Ausdruck der Entpsychopathologisierung im Kontext von Trans*/Transgender. Dieser Paradigmenwechsel hat dabei nicht nur Folgen für die Diagnostik, Beratung und Behandlung, sondern verschränkt sich auch mit anderen Themen in diesem Feld, wie bspw. Non-Binarität und De-Transition. Im Anschluss an eine kritische Einführung in die Effekte von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit können sich die Teilnehmenden in diesem Workshop mit den Auswirkungen des Paradigmenwechsels auseinandersetzen. Neben einem theoretischen und empirischen Input soll es vor dem Hintergrund aktueller Behandlungsempfehlungen auch um die Frage nach einer hilfreichen therapeutischen Haltung in der psychotherapeutischen Arbeit mit trans* und non-binären Menschen gehen.


„Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung“

Dr. Anja Grocholewski, Technische Universität Braunschweig

Bei Personen mit einer Körperdysmorphen Störung (KDS) kreisen die Gedanken immer wieder um die Sorge, hässlich zu sein. Diese Sorge führt dazu, dass sich Betroffene für ihr Aussehen schämen und sich vermehrt von der Außenwelt zurück ziehen. Sie verwenden viel Zeit und Energie darauf, den Makel zu verbergen (z.B. durch das Tragen von Sonnenbrillen) oder zu korrigieren (z.B. durch medizinisch-kosmetische Behandlungsmaßnahmen). Viele neigen auch dazu, ihr Äußeres häufig im Spiegel zu kontrollieren oder sich bei Angehörigen zu versichern, dass sie gar nicht hässlich sind. Oft kommt es zusätzlich zu einer Depression oder Suizidalität.

Mittlerweile konnte belegt werden, dass kognitive Verhaltenstherapie Wirksamkeit bei der Behandlung der KDS zeigt. Im Workshop sollen die Diagnostik der KDS, sowie verhaltenstherapeutische Elemente (z.B. kognitive Methoden, Expositionsverfahren, Verhaltensexperimente) anhand von Fallbeispielen vorgestellt werden.


„Herausforderungen in der Behandlung der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung“

PD Dr. Meike Müller-Engelmann, Goethe-Universität Frankfurt

Die Behandlung der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung stellt viele TherapeutInnen vor besondere Herausforderungen. Hierzu gehören Besonderheiten in der Beziehungsgestaltung, der Umgang mit Komorbiditäten und problematischen Verhaltensweisen wie Selbstverletzungen und dissoziativen Symptomen. Hiermit im Zusammenhang stellt sich die Frage, wie eine gute Behandlungsplanung aussieht. In der klinischen Praxis kommt es in diesem Zusammenhang häufig vor, dass zu lange stabilisiert wird und das traumafokussierte Arbeiten zu kurz kommt. Metaanalysen weisen jedoch darauf hin, dass auch in dieser spezifischen Patientengruppe traumafokussierte Behandlungen die Methode der Wahl sind. Vor diesem Hintergrund soll im Workshop zunächst auf die Behandlungsplanung eingegangen werden, anschließend sollten exemplarisch Techniken der Beziehungsgestaltung sowie des Umgangs mit starker Anspannung und Dissoziation vorgestellt werden. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf der Bearbeitung von traumabezogenen Schuld- und Schamgefühlen, wie sie nach interpersonellen Gewalterfahrungen besonders häufig vorkommen, liegen.